Die Möglichkeit, gegebenenfalls in seine eigene, bislang vermietete Immobilie einziehen zu können, hat der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen. Dazu gibt es das Instrument der Eigenbedarfskündigung. Voraussetzung ist die Tatsache, dass der Eigentümer selbst, ein naher Verwandter oder Haushaltsangehöriger den Wohnraum benötigt und dies im Kündigungsschreiben auch klar benannt wird.
In der Praxis gibt es wegen der Eigenbedarfskündigung immer wieder rechtlichen Ärger. Mieter bestreiten zum Beispiel häufig, dass überhaupt ein echtes Interesse an Eigennutzung vorliegt. Sie vermuten, diese Art der Kündigung sei nur vorgeschoben, um die Immobilie besser weiterverwerten zu können. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat für seine Extra-Ausgabe Urteile deutscher Gerichte zu diesem Thema gesammelt.
Ein sehr hohes Lebensalter kann Mieter vor der Eigenbedarfskündigung schützen. So scheiterte ein Eigentümer in Berlin mit seinem Ansinnen, ein 87 und 84 Jahre altes Paar aus seiner Wohnung zu entfernen. Die Betroffenen verwiesen darauf, das sei ihnen wegen ihres Gesundheitszustandes, ihres hohen Alters und ihrer sozialen Verwurzelung in der Gegend nicht zuzumuten. Das Landgericht Berlin (Aktenzeichen 67 S 345/18) akzeptierte diese Härtegründe. Wenn der Vermieter nicht seinerseits besonders gewichtige Nachteile erleide, falls er das Objekt nicht beziehen könne, dann müsse er verzichten. Hier sei das nicht der Fall gewesen, er habe schließlich nicht einmal eine ganzjährige Nutzung beabsichtigt.
Ein Eigentümer sollte sich zum Zeitpunkt der Vermietung gründlich überlegen, ob in absehbarer Zeit bei ihm vielleicht eine Selbstnutzung in Frage kommen könnte. Eine Eigenbedarfskündigung kann nämlich rechtsunwirksam sein, wenn sie allzu rasch auf den Vertragsabschluss folgt und sich der Anlass damals bereits abzeichnete. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 233/12) musste prüfen, ob das nach drei Jahren noch gegeben sein könnte. Das verneinten die Richter zwar, stellten damit aber auch klar, dass der problematische Zeitraum bei weniger als drei Jahren liegt.
Eine Eigenbedarfskündigung ist dann nicht gerechtfertigt, wenn der Eigentümer zwar eine berechtigte Person vorweisen kann, diese aber offensichtlich nur als Platzhalter vorgeschoben wird. In einem Fall vor dem Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 214/15) ging es um eine solche Konstellation. Die Mieter warfen dem Eigentümer vor, Verkaufsabsichten gehegt und seinen Neffen nur deswegen die Wohnung überlassen zu haben, um das Objekt später leichter verkaufen zu können. Der BGH konnte diese Argumente nachvollziehen.
Ein Profifußballer, der im Ausland arbeitete, hatte den Wunsch, in seiner Freizeit (vor allem während der mehrmonatigen Winterpause) mit seiner Familie in einer ihm gehörenden Eigentumswohnung zu leben und sprach deswegen der Mieterin die Eigenbedarfskündigung aus. Diese hielt das Ansinnen für vorgeschoben und räumte die Wohnung nicht. Das Amtsgericht München (Aktenzeichen 473 C 7411/714) vernahm die Ehefrau (Mutter eines kurz zuvor geborenen gemeinsamen Kindes) und kam zu der Überzeugung, dass hier tatsächlich eine nachvollziehbare Nutzungsabsicht vorliege.
Eine ungewöhnliche Form des Eigenbedarfs liegt vor, wenn eine Trennung von Ehepartnern der Anlass dafür ist. Ein Mann – verheiratet, zwei Kinder – kündigte seinen Mietern mit der Begründung, er wolle wegen andauernder Beziehungsprobleme nunmehr seine eigene Wohnung beziehen. Das konnte er vor dem Landgericht Heidelberg (Aktenzeichen 5 S 42/12) mit einer Aussage der Noch-Ehefrau belegen. Diese bestätigte, das Zusammenleben sei „kaum mehr auszuhalten“. Zudem akzeptierte das Gericht das Argument des Eigentümers, dass ihm die vermietete Wohnung monatlich nur knapp 400 Miete einbringe, er selbst aber vergleichbaren Wohnraum nur für deutlich mehr Geld erhalten könne.
Es ist durchaus möglich, dass ein Vermieter gegenüber dem Mieter von vorneherein darauf verzichtet, Eigenbedarf geltend zu machen. Dann sollte allerdings dieser Verzicht, wie der Mietvertrag selbst, unmissverständlich schriftlich niedergelegt sein. In jedem Falle, so beschied der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 223/06), sei das bei einem Ausschluss des Kündigungsrechts für einen längeren Zeitraum als ein Jahr erforderlich.
Wenn der Eigentümer über eine weitere, im selben Haus oder derselben Anlage liegende Wohnung verfügt, die gerade leer steht, dann muss er diese dem wegen Eigenbedarfs gekündigten Mieter anbieten. Grundsätzlich bestehe eine solche „Anbietpflicht“, entschied der Bundesgerichtshof (Aktenzei-chen VIII ZR 311/02). Das gelte zumindest dann, wenn bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist eine solche Wohnung frei werde. Genau das hatte der Eigentümer nicht getan und das Objekt stattdessen an eine andere Person vermietet. Das führte zur Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung.
Der Schwager (die Schwägerin) des Eigentümers zählt nicht im eigentlichen Sinne zu der Gruppe von Angehörigen, die eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigen. Darunter fallen nähere Angehörige wie Kinder, Eltern oder Geschwister. Doch wenn ein besonders enger Kontakt des Vermieters zu seinem Schwager besteht, dann kann nach Überzeugung des Bundesgerichtshofes (Aktenzeichen VIII ZR 247/08) ausnahmsweise ein Eigenbedarf geltend gemacht werden.
Manchmal schließen die Parteien im Zusammenhang mit einem Eigenbedarfsverfahren einen Vergleich. Was aber geschieht, wenn sich nach einem solchen Vergleich der ursprünglich genannte Kündigungsgrund als vorgetäuscht erweist? Dann kommt es laut Amtsgericht München (Aktenzeichen 474 C 19752/11) darauf an, ob mit dem Vergleich ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt tatsächlich ein Schlussstrich gezogen werden sollte. War das beabsichtigt, dann scheiden spätere Schadenersatzansprüche des gekündigten Mieters aus.
Text: LBS Infodienst Recht und Steuern
Karikatur: Jürgen Tomicek